Menschenopfer

Menschenopfer
Mẹn|schen|op|fer 〈n. 13
1. Tötung von Menschen aus kultischen Gründen
2. Opfer an Menschenleben (z. B. bei einem Unglück)
● \Menschenopfer darbringen; \Menschenopfer sind bei diesem Unglück nicht zu beklagen

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Mẹn|schen|op|fer, das:
1. Opferung von Menschen (als kultische Handlung, als Opfergabe).
2. Opfer an Menschenleben (durch Unfall, Krieg o. Ä.):
M. waren nicht zu beklagen.

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Menschen|opfer,
 
die sakrale Tötung von Menschen; in der Religionsgeschichte vielfach belegter, mit unterschiedlichen Begründungen beziehungsweise Erwartungen vollzogener kultischer Akt; wurde im Laufe der religionsgeschichtlichen Entwicklung häufig durch das tierische Ersatzopfer abgelöst (z. B. Isaaks Opferung durch Abraham). Oft hatten Menschenopfer den Sinn, die Willensäußerungen der Gottheit(en) zu beeinflussen, beziehungsweise dienten sie einer Machtübermittlung an Naturobjekte und die sie personifizierenden Gottheiten: So sollte das mexikanische Herzopfer in erster Linie die Kraft der Sonne mehren, das Menschenopfer bei den Azteken den Ertrag des Ackerbaus gewährleisten und die kosmische Ordnung aufrechterhalten. Generell soll im Menschenopfer die Stärke des Geopferten durch Anthropophagie (»Menschenfresserei« [Kannibalismus]) auf die Kultteilnehmer übertragen werden. Der Machtgedanke bestimmt auch den rituellen Königsmord: Verliert der alternde Herrscher seine Kraft, so wird er entweder getötet oder er vollzieht selbst das Königsopfer. Dies kann auch den Sinn einer Übertragung des Herrschercharismas auf Geschlecht und Volk haben, so bei der rituellen Tötung des ungarischen Fürsten Almos (9. Jahrhundert). Das Sühneopfer dient der Tilgung einer Schuld, die, wie beim babylonischen Neujahrsfest, stellvertretend für das gesamte Volk auf einen menschlichen »Sündenbock« übertragen wurde. Weit verbreitet war die Sitte der Bauopfer. Der Abwehr drohender Gefahren galt das Selbstopfer römischer Truppenführer. Die römischen Gladiatorenkämpfe tradierten die Riten des etruskischen Totenopfers, eines Zweikampfes, nach dessen Beendigung eine Gestalt in der Maske des Totengottes die Leichen der Gefallenen vom Schauplatz schaffte. Zum Totenkult gehören auch die Totenbegleitopfer (z. B. Gefolgebestattungen in den Königsgräbern in Ur, im frühdynastischen Ägypten, bei nordeurasiatischen Steppenvölkern, Normannen und in Amerika). Hierzu zählt auch die indische Witwenverbrennung (Sati). Freiwillig folgten japanische Ritter ihrem Lehnsherrn in den Tod, indem sie Seppuku verübten. - Bei den Azteken des alten Mexiko, die dem Menschenopfer große Bedeutung beimaßen, waren die Formen seines Vollzugs am stärksten differenziert; man kannte das Herzopfer, das Brandopfer, das Kampf- und Pfeilopfer sowie das Menschenschinden (Abziehen der Haut des lebenden Opfers) und das Ertränken von Kindern (u. a. als Opfer an den Regengott bei Dürre). - Als Menschenopfer vorgeschichtlicher Zeit in Europa sind gedeutet worden: Kopf- und Schädeldeponierungen aus dem Mittel- und Jungpaläolithikum (mittlere und jüngere Steinzeit; Monte Circeo, Mas d'Azil, Ofnet), jungpaläolitische Schädelbecher (abgetrennte Schädelkapseln aus Castillo), jungsteinzeitliche Funde aus der Jungfernhöhle (Landkreis Bamberg) und bronzezeitliche Skelettreste aus Höhlen im Kyffhäuser. Menschenopfer sind v. a. seit der Jungsteinzeit belegt.
 
 
E. Mogk: Die M. bei den Germanen (1909);
 F. Schwenn: Die M. bei den Griechen u. Römern (1915, Nachdr. 1966);
 J. Maringer: M. im Bestattungsbrauch Alteuropas (Freiburg 1943);
 G. Hogg: Cannibalism and human sacrifice (Neuausg. New York 1966);
 K. Helfrich: M. u. Tötungsrituale im Kult der Maya (1973);
 W. Krickeberg: Altmexikan. Kulturen (14. Tsd. 1979);
 N. Davies: Opfertod u. M. (a. d. Engl., Neuausg. 1983).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Aztekenreich, seine Vorgänger und Nachbarn: Pyramiden und Menschenopfer
 

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Mẹn|schen|op|fer, das: 1. Opferung von Menschen (als kultische Handlung, als Opfergabe): M. darbringen. 2. Opfer an Menschenleben (durch Unfall, Krieg o. Ä.): M. waren nicht zu beklagen.

Universal-Lexikon. 2012.

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